Susanne Breddermann

Elternbegleiterin der ersten Stunde

April 2024

Susanne Breddermann hat 2012 in Rolandseck als eine der ersten pädagogischen Fachkräfte die Weiterqualifizierung zur Elternbegleiterin besucht. Im Herbst 2023 nahm sie an der Netzwerkkonferenz ElternChanceN in Berlin teil. Wir möchten auf ihre Eindrücke und Erfahrungen als Elternbegleiterin blicken.

Liebe Susanne Breddermann, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen.

1. In welchem Bereich haben Sie damals gearbeitet und wie sind Sie auf die Weiterqualifizierung zur Elternbegleiterin aufmerksam geworden?

Die Qualifizierung lernte ich im Jahr 2012 kennen, als mir bei einem Vorbereitungstreffen in einem Familienzentrum für ein Kita-Projekt „Wir sind gut vorbereitet - Schule kann beginnen!“, ein Flyer in die Hände fiel, in dem von dieser Weiterqualifikation zur Elternbegleiter:in und ihren Inhalten berichtet wurde.

Seit 2005 habe ich in Hamm in einer Offenen Ganztagsschule einer Regelgrundschule gearbeitet. Das Schulgebäude liegt in einem Stadtteil, der durch viele Familien mit Einwanderungsgeschichte gekennzeichnet ist. Aus einem Projekt bei dem Schüler:innen eines Jahrgangs von einer Sozialarbeiterin besonders gefördert wurden, ist das oben genannte Kita-Projekt entstanden. In Kooperation mit dem AWO-Familienzentrum im selben Stadtteil, haben wir dieses, niederschwellige Projekt für Eltern durchgeführt. Ziel war es, Voraussetzungen im Elternhaus für optimales Lernen zu schaffen und Teilhabe an Bildung im Sozialraum zu stärken. Uns war es sehr wichtig, die Eltern aktiv in die Planung des Projekts einzubeziehen und ihre Themen und Wünsche aber auch Sorgen, Ängste und Probleme aufzunehmen. Die Eltern nahmen dieses Angebot gerne an und wünschten sich vor allem einen Austausch mit den künftigen Grundschulen.

Den Eltern war es sehr wichtig, die Anforderungen der Grundschulen kennenzulernen, um ihre Kinder bestmöglich vorbereiten zu können.

Daraus entstanden dann zusätzliche Themen wie beispielsweise „entwicklungsfördernde Rahmenbedingungen im Elternhaus“ sowie das Thema „Sprache“ und das Erlernen und Festigen der Vorläuferfertigkeiten im Bereich „Rechnen“ sowie „Lesen und Schreiben“. Zusätzlich tauschten wir uns mit den Eltern auch intensiv über das Thema „Umgang mit Gewalt und Mobbing“ an Schulen aus.

So hat unser Team die angehenden Schulkinder und ihre Eltern optimal auf die anstehende Schulzeit vorbereitet.

Weitere Informationen zu einem anderen Projekt an der Jahnschule zu Lernprozessen von Grundschul- und Kindergartenkindern können Sie hier nachlesen: https://www.wa.de/hamm/jahnschueler-bauen-bruecken-2800908.html

2. Was hat Sie motiviert, die Qualifikation zu besuchen und von welchem Erkenntnisgewinn haben Sie am meisten profitiert?

Da Eltern des nächsten Einschulungsjahrgangs eine erneute Durchführung des Projektes „Wir sind gut vorbereitet - Schule kann beginnen!“ wünschten, habe ich die Möglichkeit der Weiterqualifizierung zur Elternbegleiterin gerne wahrgenommen, um dafür noch weitere Impulse zu bekommen.

Besonders die dialogische Grundhaltung, die im Mittelpunkt der Qualifizierung steht, hat mich sehr angesprochen, denn für die erfolgreiche Arbeit mit Eltern ist es unumgänglich Müttern und Vätern auf Augenhöhe zu begegnen und sie in ihrer derzeitigen Lebenssituation zu stärken, zu begleiten und ihnen Wertschätzung entgegen zu bringen.

Ein Gewinn, dem ich mittlerweile eine immer größere Bedeutung beimesse, ist einerseits das Verständnis für unterschiedliche ethnische und sozial-gesellschaftliche Hintergründe bei den Familien zu entwickeln und andererseits den Eltern vermitteln zu können, dass sie auch im Familienalltag Lernvorbilder für ihre Kinder sind und selber aktiv Lerngelegenheiten schaffen sollten.

Es ist vor allem die Selbstreflexion in Bezug auf meine Rolle und Haltung als Elternbegleiterin gewesen, von der ich stark profitiert habe. Sich selbst immer als Lernende zu sehen, daraus ergibt sich eine offene Haltung, die es zulässt, die Bildungspotentiale bei Kindern und deren Familien zu erkennen und zu nutzen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Qualifizierung war für mich auch damals schon das Thema „Lernen“ und die unterschiedlichen Voraussetzungen, die Kinder mitbringen. Insbesondere die Identifizierung und Analyse, der bei Kindern vorhandenen Bildungspotentiale und Bildungshindernisse, als auch die Entwicklung von angepassten Lernkonzepten waren von großer Bedeutung für mich.

Die Weiterqualifizierung hat mich damals auch darin bestärkt, vorhandene Netzwerke auszubauen, um Schul-, Bildungs- und Fördersysteme zu nutzen und mit ihnen zu kooperieren. Die Vernetzung zwischen Kita und Schule ist entscheidend für den Erfolg des Bildungssystems.

Auch in meiner jetzigen lerntherapeutischen Förderung ist es mir wichtig, gut vernetzt zu sein, um die Kinder und Eltern optimal unterstützen und begleiten zu können.

3. Gibt es spezielle Schwerpunkte oder Themenbereiche, auf die Sie sich besonders konzentrieren, wenn Sie Familien unterstützen?

Aktuell arbeite ich in meiner eigenen lerntherapeutischen Praxis und fördere Kinder und Jugendliche mit einer Lese-Rechtschreibstörung und Dyskalkulie. Im Rahmen dieser Tätigkeit unterstütze ich Familien dabei ein adäquates Lernumfeld für ihre Kinder zu schaffen. Dabei geht es unter anderem darum, den Blick auf die Erfolge der Kinder zu lenken, also eine positive Fehlerkultur zu fördern, bei der auch die persönliche Lerngeschichte der Eltern von Bedeutung ist.

Eltern haben zahlreiche positive Handlungsideen im Kopf, sind jedoch häufig verunsichert, wie sie ihre Kinder unterstützen können. Oftmals reicht in vielen Fällen schon ein offenes Gespräch, in dem den Eltern bewusst wird, dass sie bereits vieles für eine erfolgreiche Schullaufbahn ihres Kindes in die Wege geleitet haben. Diese Entlastung der Eltern sorgt auch häufig bei den Kindern und Jugendlichen für eine positive Veränderung.

Natürlich begleite ich auch Eltern und Kinder zu gemeinsamen Lehrergesprächen, um hier ein gegenseitiges Verständnis zu bilden.

Im Rahmen meiner Tätigkeit halte ich auch gemeinsam mit der Schulberatungsstelle Lehrerfortbildungen im Bereich LRS. Auch dort steht das Thema Elternarbeit sehr im Fokus, denn ohne die Mitwirkung des Elternhauses ist ein Lernerfolg nur schwer möglich, beziehungsweise weniger erfolgreich.

Im Rahmen eines Förderkonzeptes [Förderuniversum] in Hamm, an dessen konzeptioneller Entwicklung ich mich beteiligt hatte und das vor einigen Jahren an mehreren Schulen erfolgreich implementiert wurde, entstanden daher einige Ideen, um Eltern einzubeziehen und somit den Förderprozess positiv zu stärken.

In der aktuellen Zeit beobachte ich einen neuen Anspruch, bei dem Eltern und Lehrer:innen viel Verantwortung zugewiesen wird. Meine Aufgabe sehe ich darin, als verbindendes Glied zwischen Familien und Schule zu fungieren.

4. Haben Sie Erfahrungen mit Elten, die in Krisensituationen Unterstützung benötigen?

Im Rahmen meiner Arbeit als Elternbegleitung im Kindergarten hatten wir häufig Krisen und mussten Eltern ganz engmaschig unterstützen.

Aktuell arbeite ich überwiegend mit Kindern und Jugendlichen, die vor großen Herausforderungen beim Lernen stehen. Aus diesem Grund sind es Krisen wie Angstzustände und Überforderung, schulisch oder privat, bis hin zum Schulabsentismus, mit denen ich in meinem Berufsalltag konfrontiert bin. Diese betreffen gleichermaßen Eltern und Kinder und nehmen einen immer größer werdenden Raum ein. Eltern haben Angst um die Zukunft ihrer Kinder, möchten sie nach bestmöglichen Kräften unterstützen und die Schüler:innen sind häufig dem Erfolgsdruck sowohl ihren Lehrer:innen und Eltern, als auch Gleichaltrigen nicht immer gewachsen.

5. Können Sie uns Beispiele für erfolgreiche Geschichten oder Fortschritte von Familien teilen, die Sie begleitet haben?

Im Allgemeinen sind es vor allem die kleinen Schritte, die in Summe den Erfolg ausmachen. Wenn nach einigen Monaten Kinder wieder sagen können, „Lernen kann ja doch Spaß machen!“ und Schulverweigerer:innen wieder regelmäßig oder sogar gerne zur Schule gehen, dann ist schon viel gewonnen.

Vielfach berichten Eltern und Kinder auch von einem spannungsfreieren Familienleben, in dem gute Noten und Erfolge erst erzielbar werden.

Insbesondere der Einsatz meiner Therapiebegleithunde wirkt als Motivation und Seelentröster für viele Kinder. Ein Kind sagte darüber: „Deine Hunde sind eine Inspiration für mich!“.

6. Haben Sie noch Kontakt zu Elternbegleiter:innen aus Ihrem Kurs?

Ich habe Kontakt zu Kolleginnen aus dem AWO-Familienzentrum, die diese Qualifizierung auch gemacht haben. Wir haben von unseren unterschiedlichen Arbeitsplätzen (Kita-Schule) profitiert und unseren Erfahrungsschatz vergrößern können. Die Vernetzung war ein großer Gewinn für Eltern, Kinder und für uns.

7. Was versprechen Sie sich vom Austausch innerhalb des Netzwerks der Elternbegleiter:innen

Von einem Austausch innerhalb des Netzwerks verspreche ich mir, die Qualifizierung zur Elternbegleiter:innen für weitere Personen interessant machen zu können.

Die Diskussion über verschiedene Problemstellungen und Themenkreise kann zu einem Austausch von Lösungsansätzen und der Vereinheitlichung von erfolgreichen Vorgehensweisen führen.

Ein etabliertes Netzwerk, welches bei Eltern und Schulen bekannt ist, kann als niederschwellige Anlaufstelle dienen, um Schwierigkeiten angehen zu können, bevor die Dinge eskalieren.

Es ist wichtig, Eltern Orientierung und konkrete Hilfe anbieten zu können. Die Schule profitiert sehr stark davon, wenn gut informierte Eltern und Kinder mit der Schule kommunizieren können. Es verhindert Missverständnisse und spart der Schule, den Lehrkräften und den Sozialarbeiter:innen viel Informationsarbeit, insbesondere am Anfang eines organisationsstressigen Schuljahres bzw. Schulwechsels.

8. Wie sorgen Sie für sich?

Durch einen guten und regelmäßigen Austausch mit Mitarbeitenden der Beratungsstellen, Lehrkräften, anderen Lerntherapeut:innen und Förderkräften habe ich die Möglichkeit über fachliche Inhalte zu reflektieren und mir einen offenen Blick zu bewahren.

Natürlich gibt es in meiner Arbeit auch Situationen, die mich etwas mehr belasten. Dann ist es nicht zuletzt die Arbeit mit meinen Hunden, die auch für mich einen positiven und entspannenden Effekt hat. Ein Spaziergang in der Natur kann sehr gut dabei helfen, meinen Akku wieder aufzuladen.

 

 

 

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