Ulrich Paschold

Rückblick und Dank

November 2023

Ulrich Paschold war bis Oktober 2023 Leiter des Referates 203, Familienbildung, -beratung, Erziehungskompetenz, gesellschaftliche Integration von Familien im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er hat das Bundesprogramm „Elternchance ist Kinderchance“ vor zwölf Jahren im Bundesfamilienministerium gestartet und Elternbegleitung über die Jahre hinweg mit verschiedenen Bundesprogrammen fortentwickelt. Nun verabschiedet er sich in den wohlverdienten Ruhestand.

Was war der Auslöser für das Programm „Elternchance ist Kinderchance“?

Die Debatte über notwendige Konsequenzen aus der PISA-Studie 2001 hat deutlich gemacht, dass Lernen bereits vor der Schule beginnt und auch außerhalb der Schule stattfindet. Der wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich in seinem Gutachten 2002 zu den Folgerungen aus der Pisa Studie mit der Rolle und Bedeutung der Familie als Ausgangspunkt für außerfamiliale Bildungsprozesse der Kinder beschäftigt und plädiert - neben notwendigen Reformen im Bereich Schule und Kindertagesbetreuung - auch für verstärkte familienbezogene Maßnahmen und die Verbindung von Bildungs- und Familienpolitik.

Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Bundesprogramm "Elternchance ist Kinderchance" war der Dresdener Bildungsgipfel im Oktober 2008, auf dem die Regierungschefs der Länder und die Bundesregierung unter anderem beschlossen, auch die frühkindliche Bildung zu stärken und mit erheblichen Finanzmitteln auszustatten. Neben dem Ausbau der Kindertagesbetreuung und der sprachlichen Förderung der Kinder in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung wurden auch Mittel für die Stärkung von Familien durch eine bildungsbezogene Elternarbeit bereitgestellt.

Als Teil der Qualifizierungsinitiative “Aufstieg durch Bildung” von Bund und Ländern wurde schließlich im Jahr 2011 des Bundesprogramm "Elternchance ist Kinderchance – Elternbegleitung der Bildungsverläufe der Kinder" gestartet. In dessen Rahmen werden bis heute pädagogische Fachkräfte aus Familienzentren, Eltern-Kind-Zentren, Kindertageseinrichtungen und Familienbildungsstätten für die Elternbegleitung weiter qualifiziert, um Eltern zu den Bildungsverläufen ihrer Kinder zu beraten und zu begleiten.

Welche Herausforderungen haben Sie bei der Umsetzung dieses Programms erlebt und wie wurden sie bewältigt?

Zunächst stellte sich uns die Frage, was machen wir am besten mit den zur Verfügung stehenden Geldern für eine gezielte Elternarbeit und wie können wir in der Fläche damit eine möglichst große Wirkung erzielen? Einen weiteren “Elternkurs” wollten wir den zahlreichen bereits vorhandenen nicht hinzufügen, zumal diese oft eher mittelschichtsorientierte Eltern ansprachen. Uns ging es insbesondere darum, vor allem auch sozial benachteiligte Familien besser zu erreichen. Denn deren Kinder finden häufig keinen oder nur einen erschwerten Zugang in das deutsche Bildungssystem.

Dazu bedurfte es aber nach unserer Auffassung eines niedrigschwelligen Ansatzes, der Eltern im Sozialraum vor Ort auch erreicht und anspricht. Unsere Überlegung damals war, breit an den vorhandenen Kompetenzen von pädagogischen Fachkräften anzusetzen und sie im Rahmen einer dreiwöchigen Weiterqualifizierung für die kindliche Entwicklung und Bildungswegbegleitung fortzubilden.

Welche bedeutenden Erfolge oder Meilensteine hat Elternbegleitung während Ihrer Amtszeit erreicht?

Bis heute wurden durch das Bundesprogramm "Elternchance ist Kinderchance" und seinen Nachfolgeprogrammen mehr als 15.000 pädagogische Fachkräfte zu Elternbegleitern und Elternbegleiterinnen weiterqualifiziert und stehen Familien mit Rat und Tat beiseite. Bemerkenswert finde ich auch die nach wie vor anhaltend sehr hohe Zufriedenheit mit der Qualifizierung zur Elternbegleitung, die sich durch unsere wissenschafltiche Begleitung der Programme über die vielen Jahre durchgängig bestätigte. Auch läßt sich heute sagen, dass Bildung und Bildungswegbegleitung zudem ein deutlich wichtigeres Thema in der Familienförderung geworden ist.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Elternbegleitung im Laufe der Jahre verändert und welche Entwicklungen und Trends sehen Sie in Deutschland in den kommenden Jahren?

Ich würde sagen, Elternbegleitung an sich hat sich im Laufe der Jahre nicht grundlegend verändert. Als niedrigschwelliges Instrument der Elternarbeit findet sie immer wieder Antworten auf ganz unterschiedliche Problemlagen von Familien. Das sieht man zum Beispiel an den innovativen Angeboten von Elternbegleitung auch während und in der Coronapandemie – sei es durch den verstärkten Einsatz digitaler Instrumente wie etwa Chatgruppen oder aber physisch etwa durch “Fenstergespräche” mit Familien.

Auch für die kommenden Jahre sehe weiterhin einen hohen Bedarf an Elternbegleitung. Gerade der jüngst wieder angestiegene Migrationsstrom fordert alle Fachkräfte und Instittuionen bei der Integration. Die Fluchtmigration in den Jahren 2015 und 2016 hat gezeigt, wie wertvoll Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter dabei sind, zugewanderten Familien das Ankommen und die Integration zu erleichtern.

Wie hat sich die Familienbildung und -beratung in Deutschland während Ihrer Amtszeit durch Elternbegleitung verändert?

Aus der 2021 von der prognos AG in unserem Auftrag  durchgeführten Bestandsaufnahme der Strukturen, Themen und Angebote der Familienbildung und -beratung in Deutschland wird deutlich, dass sich die Angebote der Familienbildung und Familienberatung in den letzten 15 Jahren dem gesellschaftlichen Wandel und den Bedarfen von Familien angepasst haben.

Eines der zentralen Ergebnisse ist, dass Familienbildung und Familienberatung einen unverzichtbaren Beitrag zur Stärkung von Familien leisten. Die Ergebnisse der Studie machen auch deutlich, dass sich Bildungsbegleitung als neues Tätigkeitsfeld in den Einrichtungen etabliert hat und sich somit unsere damaligen Ausgangsüberlegungen 10 Jahre später in der Studie auch bestätigt haben.

Welche Empfehlungen haben Sie für die zukünftige Gestaltung von Programmen zur Unterstützung von Familien?

Aus meiner Sicht sollten familienunterstützende Programme immer auch den Bezug zum jeweiligen Sozialraum haben und in kommunal vernetzten Strukturen umgesetzt werden. Nur so kann es gelingen, dass keine Familie, kein Kind unterwegs verloren geht oder keine hinreichende Unterstützung erhält.

Können Sie einige persönliche Höhepunkte, Begegnungen oder Momente teilen, die Sie als Referatsleiter im Bundesfamilienministerium besonders bewegt haben?

Als erstes fällt mir dazu der 3. Bundeskongress Elternbegleitung im November 2018 ein, auf dem wir gemeinsam mit unserer damaligen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey das Erreichen von 10.000 qualifizierten Elternbegleiter*innen gefeiert haben.

Für mich persönlich waren auch die vielen Begegnungen und der Austausch mit Elternbegleiter*innen vor Ort in ihren Einrichtungen oder auf Fachtagungen immer wieder ein besonderes Erlebnis. Ich habe aus den persönlichen Begegnungen zahlreiche Ideen und wertvolle Hinweise zur Elternbegleitung erhalten, die wir bei der Weiterentwicklung von Elternbegleitung gut aufgreifen konnten.

Welche persönlichen Erfahrungen oder Erkenntnisse aus Ihrer langen Karriere im Bereich Familienarbeit werden Sie in Ihrem Ruhestand mitnehmen?

Es lohnt sich, wenn man von einer Idee wie der Elternbegleitung überzeugt ist, dran zu bleiben und auch gegen interne Widerstände oder Veränderungen an der Ministeriumsspitze etwa durch wechselnde Regierungen oder auch schwierige Haushaltslagen beharrlich voranzutreiben.
 

 

 

 

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