Timo Ziomkowski
Von der Hausmeisterwohnung zum Sozialraumbüro
Oktober 2023
Timo Ziomkowski ist seit 2020 beim Jugendamt der Stadt Lüdenscheid beschäftigt. Schon während seines sozial- und erziehungswissenschaftlichen Studiums hat sich der zweifache Vater intensiv mit den vielfältigen Facetten von Familie und Bildung beschäftigt. Seit November 2022 koordiniert er das Projekt: ElternChanceN Lüdenscheid und stellt uns vor, wie die kommunale Umsetzung in Lüdenscheid gestaltet wird:
Erinnern Sie sich, wann Ihnen „Elternbegleitung“ zum ersten Mal begegnet ist?
Das war kurz nach meinem Dienstantritt bei der Stadt Lüdenscheid. Zu diesem Zeitpunkt habe ich das Bundesprogramm „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ koordiniert. Unser Programm-Fokus lag seinerzeit darauf, Kinder in Regelangebote zu vermitteln, die bisher kaum oder keine Berührungspunkte mit dem Bildungssystem hatten. Viele der von uns betreuten Kinder hatten einen Fluchthintergrund. Deshalb war es damals folgerichtig, mit dem Bundesprogramm „Starke Netzwerke: Elternbegleitung für geflüchtete Familien“ zu kooperieren. Mit diesem Bundesmodellprogramm hat das Bundesfamilienministerium wirksame Unterstützungsangebote für nach Deutschland geflüchtete und neu zugewanderte Familien auf kommunaler
Ebene erprobt. Hierfür knüpfte man an die Kompetenzen der bundesweit rund
15.000 qualifizierten Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter an, die qualifiziert wurden und Familien in Erziehungs- und Bildungsfragen zur Seite stehen. Auch durch diese enge Verzahnung mit den Familienzentren hatte ich immer wieder Begegnungen mit Elternbegleiter:innen.
Was war Ihre Motivation, sich am ECN-Programm mit dem Standort Lüdenscheid einzubringen?
Wir beobachten, dass Familien weniger eingebunden leben. Gleichzeitig haben sie einen höheren Bedarf an Beratung. Hier ist es wichtig, passgenaue Angebote zu schaffen. Diese müssen niedrigschwellig, unbürokratisch und an den Bedürfnissen der Familien orientiert sein. Elternbegleitung leistet hier einen wichtigen Beitrag, um gesellschaftliche Teilhabe und Integration zu ermöglichen. Sie ist vertrauensvoll und schafft für Familien einen Halt, die ihre Orientierung in einer von Krisen geprägten Zeit verloren haben. Ganz gleich, ob wir nun über die weitreichenden Folgen des russischen Invasionskrieges oder die verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie sprechen, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.
Als wir von dem Programm „ElternChanceN“ gehört haben, waren wir sofort Feuer und Flamme. Es ist für uns das richtige Programm zur richtigen Zeit – entsprechend breit war von Anfang an die Unterstützung der Kommune, das Programm hier in Lüdenscheid umzusetzen.
Seit wann sind Sie für die Stadt Lüdenscheid als Koordinator im Netzwerk ElternChanceN tätig? Was war in der Startphase besonders eindringlich und wichtig?
Die Koordination für das Netzwerk ElternChanceN habe ich im November 2022 übernommen, also direkt zum Programmstart am Standort. Wir haben das große Glück, zwei erfahrene Fachkräfte für das Programm gewonnen zu haben, mit denen ich schon im „Kita-Einstieg“ zusammengearbeitet habe. Entsprechend waren wir als Team von Beginn an gut aufgestellt und bereits mit vielen Akteuren vernetzt.
Unsere Startphase war trotzdem sehr intensiv, weil vieles in einer kurzen Zeit passiert ist: Die Arbeitsräume waren noch nicht fertig, die Kolleginnen befanden sich in Weiterqualifizierung, die Anmeldungen für das anstehende Kita-Jahr liefen auf Hochtouren und haben zu einem massiven Beratungsbedarf geführt; außerdem wollten wir im Sozialraum einen offenen Treff für Familien durchführen und mussten das neue Programm bekannt machen. Eine Rundmail an den Verteiler reicht dafür natürlich nicht aus. Letztlich haben wir aber den Spagat geschafft, alle Inhalte und Akteure zu bedienen. Das war nicht einfach.
Gleich zu Beginn der Startphase haben wir zum Beispiel mehrere Veranstaltungen organisiert. Diese waren an alle Kitas und Grundschulen in Lüdenscheid sowie andere Akteure gerichtet, die zur Programmumsetzung bzw. für unsere Zielgruppe von hoher Relevanz sind. Uns war es wichtig, von Anfang an klar zu machen: Das ist nicht nur unser Programm, sondern eines, das wir gemeinsam mit allen Beteiligten gestalten wollen.
Ihr Netzwerk heißt „FamilienStärken Lüdenscheid“ und befindet sich gleichermaßen im Auf- und Ausbau. Neben den bestehenden Netzwerken Frühe Hilfen und Initiative Kinderschutz bauen Sie neue Strukturen für Elternbegleitung auf. Wen holen Sie mit ins Boot?
Das sind ganz unterschiedliche Akteure, über die wir in diesem Zusammenhang sprechen. Von zentraler Bedeutung ist natürlich unser Arbeitskreis für Elternbegleiter:innen, der sich einmal pro Quartal trifft und zu dem wir regelmäßig alle Elternbegleiter:innen oder Interessierte an der Weiterqualifizierung einladen. Die Elternbegleiter:innen dienen hierbei als Multiplikator:inen, die Themen aus der Einrichtung mitnehmen können oder im Umkehrschluss bestimmte Impulse in ihre Teams transportieren können.
Darüber hinaus ist uns trägerübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit ein wichtiges Anliegen: Vom kommunalen Integrationszentrum Märkischer Kreis über das Lüdenscheider Integrations- und Begegnungszentrum, das AWO-Mehrgenerationenhaus oder den allgemeinen sozialen Dienst der Kommune bis hin zu einzelnen Akteuren, wie z.B. der Gleichstellungsbeauftragten oder dem Streetworker im Sozialraum – unser Netzwerk ist breit gefächert. Viele dieser Strukturen sind ganz organisch gewachsen. Diese Vernetzungen zu formalisieren ist einer unserer nächsten Schritte.
Was sind die positiven Effekte angesichts des wachsenden Netzwerkes einmal für Familien?
Sie können zu uns kommen und begleitet werden. Ich bemühe gerne die Metapher des Drehkreuzes. Wir haben in unserem Vorhaben mit sehr vielen Menschen zu tun, die uns aus ganz unterschiedlichen Gründen aufsuchen. Einigen können wir direkt weiterhelfen, andere benötigen womöglich ein passgenaueres Angebot, wissen aber nicht ob oder wo es dieses gibt. Familien kommen oft an ihre Grenzen, wenn sie von A nach B geschickt werden – wir nehmen sie an die Hand, solange sie es brauchen und können die Familien in unterschiedlichsten Situationen ganz individuell begleiten.
Durch unsere gute Vernetzung können wir zielgerichtet unterstützen. Wenn wir nicht weiterhelfen können, wissen wir, wer die richtigen Ansprechpartner:innen sind und können vermitteln und bei Bedarf begleiten. Die sprichwörtlichen Wege sind kurzgehalten. Das kommt den Familien zu Gute: Auf diese Weise schaffen wir es auch, Ängste und Vorbehalte gegenüber Behörden gänzlich oder in Teilen abzubauen. Das ist wichtig – für die Familien und für die Ämter.
Ein weiterer positiver Effekt besteht in der Erweiterung unserer eigenen Angebote. Zum Beispiel haben wir in Kooperation mit dem kommunalen Integrationszentrum und den Frühen Hilfen im neuen Kita-Jahr ein Pilotprojekt in unseren Räumen installiert. Dieses Angebot richtet sich an Schwangere und Familien mit Kindern bis zu einem Jahr. Es fußt auf den Säulen Gesundheit, direkte und indirekte Sprachbildung sowie Alltagsunterstützung und Empowerment. Ohne Kooperation wäre ein solches Angebot nicht denkbar gewesen. Diese Art der Zusammenarbeit ist für alle Beteiligte ein großer Gewinn.
Eine ehemalige Hausmeisterwohnung dient heute als „Sozialraumbüro“ des Netzwerkes ElternChanceN Lüdenscheid. Wie kann man sich das vorstellen? Wie ist Idee entstanden, das Sozialraumbüro im Lüdenscheider Brennpunkt einzurichten?
Die ehemalige Hausmeisterwohnung befindet sich im Bestand der Kommune und hat sich für uns als ein riesiger Glücksgriff erwiesen. Unsere Räumlichkeiten wirken eher wie eine Privatwohnung als ein Büro. Wir haben einen gemütlich eingerichteten Gruppenraum mit Balkon, einen sonnigen Küchenbereich mit Sitzecke, ein Bad mit Wickelmöglichkeit sowie zwei ehemalige Schlafzimmer, die zu Büro- und Beratungsräumen umfunktioniert wurden. Wer bei uns reinkommt, kann sich wie zuhause fühlen. Das gefällt den Familien und erleichtert uns den Zugang enorm. Sowas spricht sich natürlich rum. Mittlerweile sind wir im Sozialraum bekannt – die Menschen wissen: Dort können wir hin.
Uns war bereits vor Projektbeginn bewusst, dass wir einen Standort brauchten, der gut erreichbar ist. Den Beinamen „Bergstadt“ trägt Lüdenscheid nicht umsonst – Mobilität ist in der Stadt und für unsere Zielgruppe im Speziellen schon immer eine große Herausforderung gewesen. Für manche stellt sie sogar eine unüberwindbare Hürde dar.
Auf die ehemalige Hausmeisterwohnung am Rande des Sozialraums sind wir durch die zentrale Gebäudewirtschaft der Stadt Lüdenscheid aufmerksam geworden. Beim Besichtigungstermin wurde schnell klar, dass wir dem Leerstand wieder Leben einhauchen wollten. Ein äußerst umfangreiches Vorhaben, das Zeit, Energie und Geld gekostet hat. Für die beispiellose Zusammenarbeit mit der Kommune, die für uns einiges an Ressourcen in die Hand genommen hat, wäre das nicht möglich gewesen. Dafür sind wir nach wie vor sehr dankbar.
Wie finden die Familien zu Ihnen? Wer geht in Ihrem Büro ein und aus?
Die Familien kommen auf ganz unterschiedlichen Wegen zu uns: über Einrichtungen, Behörden, Bekannte, persönliche Ansprache oder Angebote wie unsere Anmeldehilfe für das Online-Portal zur Kita-Platz-Vergabe. Darüber hinaus machen wir natürlich kräftig Werbung, zum Beispiel durch das Verteilen von Flyern oder die Teilnahme an Stadtteilkonferenzen und Festen, bei denen wir uns und unsere Angebote präsentieren können.
Dadurch kommen Menschen unterschiedlichster Couleur zu uns. Wir haben ein sehr buntes Publikum – von der alleinerziehenden Mutter über die vielköpfige Patchwork-Familie bis hin zu getrennten Partnern. Unsere Räume befinden sich in einem Stadtteil mit einem Migrationsanteil von mehr als 60%, diese Vielfältigkeit spiegelt sich auch in unserer Klientel wider. Im offenen Familientreff haben wir zahlreiche Familien mit arabischen, europäischen und afrikanischen Wurzeln.
Der „offene Familientreff“ ist ein beliebtes Angebot, zu dem Familien in besonderen Lebenslagen zusammenkommen. Von den Familien konnten 95% in Regelangebote vermittelt werden. Wie ist Ihnen die phantastische Erfolgsquote bei der Ansprache gelungen und welche Regelangebote werden genutzt / vermittelt?
Wir haben einen Stamm von 20 Familien, die unseren Familientreff regelmäßig besuchen und die zu einer wirklich tollen und sehr harmonischen Gruppe zusammengewachsen sind. Hierbei handelt es sich vor allem um Familien mit Kindern, die noch keinen Kita-Platz bekommen haben. Von diesen 20 Familien konnten wir 19 für das neue Kita-Jahr an Einrichtungen mit Betreuungsplatz vermitteln. Das ist ein Verdienst der Fachkräfte, die immer „am Ball“ geblieben und mit den Kindertageseinrichtungen in Lüdenscheid äußerst gut vernetzt sind. Mittlerweile werden wir im laufenden Kita-Jahr teilweise von Einrichtungen angesprochen, bei denen ein Betreuungsplatz frei wird und die wissen, wie wichtig dieser für „unsere“ Familien ist.
Natürlich ist es damit nicht getan – jede Familie hat ihre eigenen, ganz besonderen Schwerpunkte. In Abhängigkeit der individuellen Bedürfnisse haben wir die Teilnehmenden des offenen Familientreffs auch in Sprachkurse, Sportkurse, Sportvereine, Frühförderstellen oder die Musikschule vermitteln können, um einige Beispiele zu nennen.
Ein weiteres Angebot ist die offene Sprechstunde, in der Erziehungsfragen beantwortet werden können. Wie schaffen die Elternbegleiter:innen, das Vertrauen zu den Familien herzustellen?
Darüber, das menschliche und das fachliche zu vereinen. Beides ist nötig, um den Familien eine Perspektive aufzuzeigen. Unsere Fachkräfte begegnen den Familien auf Augenhöhe, hören ihnen zu und nehmen sie in ihren Sorgen und Nöten ernst. Bei uns spüren die Familien, dass ihnen zugehört wird, aber eben auch, dass ihnen geholfen werden kann. Hierfür ist manchmal ein hohes Maß an Flexibilität notwendig.
Mir fällt sofort eine dreiköpfige Familie mit Migrationshintergrund ein, die erst kürzlich in der Sprechstunde saß, um eines ihrer Kinder in der Kita anzumelden. Im Gesprächsverlauf zeigte die Familie den Fachkräften ein Schreiben, aus dem hervorging, dass das ältere Geschwisterkind zur Einschulung gehen sollte – am selben Tag. Leider hatte die Familie das nicht verstanden.
Ein Blick auf die Uhr verriet, dass nur noch zwei Minuten bis zum Termin an der Schule blieben. Also hat sich eine unserer Elternbegleiter:innen kurzerhand mit dem einzuschulenden Kind und seinem Vater auf den Weg gemacht und die beiden zur Schule begleitet. Die andere Fachkraft hat direkt zum Hörer gegriffen, bei der Schulleitung angerufen und sich danach um die Mutter mit ihren beiden anderen Kindern (und deren Anliegen) gekümmert.
Seitdem sind wir mit besagter Familie in einem guten, vertrauensvollen Austausch – inklusive Hausbesuch mit Sprachmittler. Einfach, weil wir gemerkt haben: hier gibt es einen erhöhten Bedarf. Die Familie nimmt das sehr dankbar an.
Wir haben das große Glück, dass unsere beiden Elternbegleiter:innen seit mehreren Jahrzehnten im Bereich der frühen Bildung arbeiten, ein hohes Maß an Flexibilität besitzen und sich im Sozialraum auskennen. Zudem sind sie sehr gut vernetzt und verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz. Dazu kommen zahlreiche Qualifikationen: von der systemischen Beratung über die Musiktherapie bis hin zum Studium der sozialen Arbeit. Das sorgt für eine enorm hohe fachliche Kompetenz, die dem Projekt sehr gut tut.
Einige Familien haben einen erhöhten Bedarf an Beratung. Mit welchen Themen oder Anliegen kommen die Familien zu Ihnen? Wie kann Ihr „Netzwerk FamilienStärken Lüdenscheid“ dabei konkret unterstützen?
Die Suche nach einem Kita-Platz ist bei uns ein absoluter Dauerbrenner. Es vergeht eigentlich kaum eine Woche, in der wir nicht Familien dabei unterstützen, sich im Online-Portal „luedenscheid.meinkitaplatz“ anzumelden, eine Ummeldung vorzunehmen oder nach Alternativen in der Tagesbetreuung zu suchen. Das Thema Einschulung und Schule ist für die Familien erfahrungsgemäß ebenfalls ein großes Thema.
Weitere Schwerpunkte sind Fragen rund um das Thema Erziehung und familiäre „Schieflagen“: Angelegenheiten des Sorgerechts, des möglichen Missbrauchs, des Umgangsrechts, Verhaltensauffälligkeiten oder Trennungserfahrungen. Zu guter Letzt kommen auch Familien zu uns, die Fragen in behördlichen Angelegenheiten haben und Hilfestellung benötigen, um ihren Alltag bewältigen zu können. Hier sind wir eine Brücke zu Jobcenter, Ärzten, Krankenkassen und vielen anderen Institutionen.
Ob sich an der Themenlage etwas geändert hat, können wir nach einem halben Jahr in unseren Räumlichkeiten noch nicht realistisch einschätzen. Dafür ist die Zeitspanne einfach zu kurz. Wir merken aber, dass es der Wunsch nach Beratung größer geworden ist – deshalb haben wir jetzt eine offene Sprechstunde eingerichtet, die wöchentlich stattfindet und sich jetzt schon großer Beliebtheit erfreut. Hier profitieren wir ebenfalls von der hohen Qualifikation und der Erfahrung der Fachkräfte, die inhaltlich sehr breit aufgestellt sind.
Dabei ist es uns ein Herzensanliegen, nicht nur die Familien zu unterstützen, die uns aufsuchen, sondern auch ihr Sprachrohr zu sein. Themen, die uns besonders stark auffallen, tragen wir in die Politik, das Netzwerk und Arbeitskreise. Unser Ziel ist dabei immer, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Zum Beispiel: Vorschulkinder ohne Kita-Platz – das ist ein großes Thema in Lüdenscheid. Aber gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, dem Lüdenscheider Integrations- und Begegnungszentrum schaffen wir es, dass jede Familie persönlich angesprochen wird, wenn sie ein Vorschulkind hat, dass keinen Platz in einer Kita oder einem Brückenangebot bekommen hat. Wir schauen dann genau hin: Wo liegen die Probleme? Wie können wir helfen? Das ist ein enormer Qualitätsstandard und keine Selbstverständlichkeit.
Sie legen großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit und haben drei Ebenen im Blick: Familien in besonderen Lebenslagen, Elternbegleiter:innen in Lüdenscheid und den öffentlichen Raum. Was genau unternehmen Sie, politische Entscheidungsträger:innen über die gesellschaftliche Bedeutung von Elternbegleitung zu informieren und welche Früchte können Sie ernten?
Wir versuchen viele Wege zu gehen. Zum einen bin ich regelmäßiger Teilnehmer zweier Stadtteilkonferenzen, in denen ich über unsere Arbeit berichte und Kontakte zu den Menschen, den Akteuren und den politischen Entscheidungsträger:innen im Quartier suche. Erst kürzlich hatten wir Besuch von einem Ratsherrn, der sich unsere Räume anschauen wollte, um sich selber ein Bild von der Arbeit vor Ort zu machen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Jugendhilfeausschuss, in dem ich ebenfalls über die im Projekt geleistete Arbeit aufkläre. Vor solchen Terminen stimme ich mich gerne mit unserer Prozessbegleitung ab, die einen guten Blick darauf hat, welche Aspekte für die Entscheidungsträger besonders interessant sind und wie man diese am besten präsentiert. Letztlich geht es darum, der Kommune aufzuzeigen, dass sie einen langfristigen Vorteil davon hat, in gute Elternbegleitung zu investieren.
Um es mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Mit dem Return-on-Investment gibt es eine errechnete wirtschaftliche Kennzahl, die ganz klar aufzeigt, dass Elternbegleitung mittel- bis langfristig Gelder in der Kommune freisetzt: Man bekommt mehr raus, als man reinsteckt. Es gibt nicht nur einen gesellschaftlichen, sondern auch einen ökonomischen Gewinn. Das habe ich – zusammen mit entsprechenden Studienverweisen – in einem Factsheet verschriftlicht, das ich bei entsprechenden Gelegenheiten sehr gerne verteile.
Natürlich geht es nicht nur um die Zahlen und Fakten, sondern auch um Geschichten und Erlebtes. Manchmal ist es auch gut, wenn man einen O-Ton für sich sprechen lassen kann. Wir möchten nicht nur über die Familien in besonderen Lebenslagen sprechen, sondern sie selbst zu Wort kommen lassen.
Darüber hinaus bedienen wir natürlich auch die örtliche Presse und versuchen, unsere Angebote öffentlich zu machen, so gut es geht. Einige Akteure, mit denen wir zusammenarbeiten, sind ebenfalls in Parteien organisiert. Letztlich sind es viele kleine Schritte, die dazu beigetragen haben, dass wir als Projekt und Elternbegleitung als Thema wahrgenommen werden und mittlerweile einen guten Bekanntheitsgrad erreicht haben. Erst kürzlich hatten wir eine Anfrage, eine Familie zu unterstützen, die von einem Parteienvertreter an uns herangetragen wurde.
Können Sie uns einen klassischen Arbeitstag bei Ihnen in der Koordinationsstelle beschreiben und / oder gab es eine besondere Situation, die Sie noch heute beschäftigt?
Buddy Holly hat in einem Lied das Leben als Achterbahn beschrieben – mit meiner Arbeitsstelle verhält es sich ganz ähnlich. Die Aufgabe als Koordinationsstelle ist sehr abwechslungsreich und es gibt kaum einen Tag, der dem anderen gleicht. Was man sicher sagen kann: Ich telefoniere viel und habe viele Termine außerhalb des Büros. Letztlich hängt mein konkreter Arbeitstag auch immer sehr stark davon ab, in welcher Phase sich das Projekt im Moment befindet.
Zu Jahresbeginn konnte ich mich vor Terminen kaum retten, um Kontakte aufzubauen und das Programm vorzustellen. Dann gab es ruhigere Wochen, in denen ich mich um die Abwicklung des Berichtwesens kümmern konnte und mich mit Aufgaben auseinandergesetzt habe, die durch die Verwaltung anfallen.
Es kommt auch immer mal vor, dass Veranstaltungen im Abendbereich oder am Wochenende stattfinden. Letztlich sind wir im Projekt sehr flexibel unterwegs und versuchen uns immer den aktuellen Bedarfen anzupassen. Einen klassischen Arbeitstag gibt es bei mir daher nicht, dafür aber viel Abwechslung.
Zum Schluss ein Wunsch:
Ich wünsche mir, dass wir zu einem Angebot unserer Stadt werden, das langfristig dabei hilft, die Familien in ihren Bedürfnislagen zu unterstützen und wir ein gut funktionierendes Netzwerk an Elternbegleiter:innen in Lüdenscheid aufbauen und erhalten können, um sowohl die Familien als auch die Kommune nachhaltig unterstützen zu können. Dafür braucht es natürlich Personal.
Den Steckbrief des Projektes ElternChanceN Lüdenscheid können Sie online einsehen unter https://elternchancen.de/luedenscheid