Nadine Hüller
Neurodiversität in der Elternbegleitung
Dezember 2024
Elternbegleitung in Pirmasens: Nadine Hüller über ihre Arbeit und das Netzwerk Plan A
Nadine Hüller hat auf den Aufruf im Newsletter für Elternbegleiter:innen reagiert und sich für das Interview bereit geklärt.
„Seit 21 Jahren bin ich Pädagogin und seit 2019 freiberuflich in der Familienbildungsstätte und Haus der Familie Pirmasens tätig. Über diesen Weg kam ich auch zum Projekt. 2021 habe ich dann die Qualifikation zur Elternbegleiterin absolviert. Zum ersten Mal in meinem Berufsleben, habe ich das Gefühl, am absolut richtigen Platz zu sein. Ich habe das Gefühl, dass das Projekt auf mich gewartet hat. Ich fühle mich wohl, erziele Erfolge und hoffe, dass es verlängert wird. Ich schwärme auch privat für Elternbegleitung.“
In welchem Netzwerk Sie derzeit tätig?
Ich arbeite aktuell als Elternbegleiterin für die Heinrich Kimmle Stiftung in Pirmasens. Die Heinrich Kimmle Stiftung ist Träger der integrativen Kindertagesstätte St. Elisabeth. Kooperationspartner sind das Jugendamt Pirmasens und die Katholische Familienbildungsstätte und Haus der Familie Pirmasens.
Besser könnte es nicht sein. Spannend ist die Vielfalt der drei Kooperationspartner. Der gemeinsame Wille und strukturelle Faktoren prägen das Netzwerk.
Pirmasens ist wirklich gut vernetzt, mit bspw. dem Netzwerk Frühe Hilfe, dem Netzwerk für Familienbildung, dem Pakt für Pirmasens und noch mehr. Bei unserer Teilnahme an den Netzwerksitzungen können Synergien und Energien gut aufgenommen und verarbeitet werden.
Der Pakt für Pirmasens ist mit seinem Koordinierungsbüro in der Marienstraße 6 zentrale Anlaufstelle des weitreichenden vorhandenen Engagements haupt- und ehrenamtlich tätiger Personen, Vereinen und Institutionen. Hier laufen die Fäden der staatlichen und ehrenamtlichen Initiativen zusammen, werden gebündelt und von fachlich ausgebildetem Personal individuell nach den Bedürfnissen der Hilfesuchenden koordiniert.
In der vom Pakt angebotenen Sprechstunde für Familienleistungen können Eltern Anträge für den Kinderzuschlag oder Wohngeld prüfen lassen und vor Ort stellen. Sehr gerne weisen wir Eltern aus unserer Arbeit auf dieses Angebot hin und konnten auch hier schon Alltagssituationen zum Besseren wenden. Dank der Vielfalt im Netzwerk können Eltern mit ganz konkreten Hilfsangeboten unterstützt werden. Alle bringen ihre Ressourcen ein. Wir arbeiten mit Dozent:innen zusammen, die zu verschiedenen Themen wie Gesundheit und Kreativität Angebote für alle Familienbedarfe ermöglichen.
Was schätzen Sie an der Elternbegleitung?
Ich bin seit April 2023 Elternbegleiterin. Den berühmten „Spirit der Qualifizierung“ habe ich dank sehr fähiger Dozentinnen, tatsächlich auch online erleb. Die Qualifikationsgruppe ist bis heute über die WhatsApp „Elternbegleitung unser Weg“ verbunden.
Zuvor habe ich lange in der stationären Jugendhilfe und offenen Jugendarbeit gearbeitet. Der Weg der Elternbegleitung unterscheidet sich von den mir bisher bekannten konkreten Hilfekonzepten und den strikten Hilfeplanzielen der Jugendhilfe. Elternbegleitung ist ein Leuchtturm – aufgrund der familiären Bindung haben die Eltern größeren Einfluss auf das Handeln und Denken ihrer Kinder. Gute Elternarbeit ist wie eine Brücke, die Methoden, Therapien und erlernte Kompetenzen in den Alltag der Familien bringt. In der Elternbegleitung ist der gemeinsame Erfolg die Begegnung selbst: Annehmen, hinhören, Ressourcen stärken. Das Augenmerk ist darauf gerichtet, dass das Elternteil angenommen wird, eingeladen ist, und einlädt den Weg gemeinsam ein gutes Stück zu gehen.
Wie möchten Sie in Pirmasens den eingeschlagenen Weg der Elternbegleitung fortführen?
Wir wünschen uns, dass es weiter geht. Angefangen haben wir mit dem Ziel, Elternbegleitung auf den Stadtteil zu beziehen. Das hat sich optimiert, nachdem im Laufe des Projektes Bedarfe besser ermittelt werden konnte. Auch deshalb ist die Arbeit im Netzwerk ist so wichtig. Wichtig ist auch, dass die Koordinatorin den Blick auf das Angebot hat und Lücken identifizieren kann. Es war anfangs gar nicht so einfach, in einem Netzwerk Fuß zu fassen, das so gut funktioniert, sich über Jahre aufgebaut hat und erfolgreich ist. Aber wir haben unseren Platz gefunden.
Mit der unserer Sprechstunde „Das offene Ohr“ kam der Durchbruch. Die Sprechstunde bietet Eltern vertrauliche Gespräche an. Unsere Elternberatung unterliegt der Schweigepflicht. Elternteile lassen sich vertrauensvoll ein und erhalten Unterstützung zu Themen wie Depression, Überforderung, Kinderzuschlag, Eltern-Kind-Kur oder aber auch „mein Pflegeantrag wurde abgelehnt“ und ähnliches.
Eltern können mit dem Plan A gut Kontakt aufnehmen. Wir schauen genau hin: Wo ist der Bedarf? Was können wir machen? Was fehlt noch? Entstanden sind Angebote wie beispielsweise ein Sprachkaffee mit Kinderbetreuung, mobile Elternkaffees vor einer Brennpunktschule, wo wir Eltern vor der Einschulung Zeit für Austausch ermöglichten, Elterncafé auf dem Spielplatz mobil mit unserem Lastenrad, Kreativangebote in der integrativen Kita – welche den Raum zum Dialog und zur Begegnung öffnen, Angebote für Väter, ein cooles Kinderkonzert und wertvolle Angebote in Lern- und Spielstuben sowie beim Kooperationspartner der Familienbildungsstätte und Haus der Familie. Hier können wir beispielsweise die Quasselkiste (Austauschtreff für Eltern mit Frühstück) weiterführen und auch eigene Angebote wie beispielsweise die „schöne Töne“ u.ä. installieren.
Auch ein Ukulele Workshop für pädagogische Fachkräfte in ganz Pirmasens konnten wir sehr erfolgreich anbieten und durchführen.
Welche Familien in besonderen Lebenslagen unterstützen Sie?
Wir begleiten beispielsweise den Übergang von der integrativen Kita in die Pirminiusschule (Förderschule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung) für Eltern von neurodivergenten Kindern. Neurodivergente Kinder haben z.B. Diagnosen wie Autismus, Down-Syndrom, Sprachentwicklungsstörungen, Angelman-Syndrom und/oder eben alles was nicht neurotypisch ist. Neurodiversität setzt sich aus den Begriffen „Neuro” (Nerven) und „Diversität” (Vielfalt) zusammen. Darunter versteht man die Annahme und Haltung, dass neurobiologische Unterschiede im Gehirn zur Bandbreite unserer Entwicklung gehören.
Der Vorhabenträger von Plan A ist eine integrative Kita mit drei heilpädagogischen und fünf integrativen Gruppen. Im Austausch merken wir immer wieder wie wichtig es Eltern mit Kindern im Heilpädagogischen Bereich ist sich untereinander auszutauschen. Darum wollen wir zu unseren bereits bestehenden Angeboten einen monatlichen Stammtisch für Eltern neurodivergenter Kinder in der Kita ins Leben rufen.
Mit unserem Angebot jetzt bist du da – Willkommen im Leben, welches für Eltern mit Babys im ersten Lebensjahr ist, gelingt es uns Familien ganz früh zu erreichen. Themen wir „Elternschaft und Social Media“ oder das ausprobieren verschiedener Tragehilfen laden zum Austausch ein und fördern die Ressourcen und helfen Ängste und Druck neugeborener Eltern abzubauen. Denn mit einem Baby verändert sich ja so einiges. Egal ob Erstes, oder Geschwisterkind.
Wie tauschen Sie sich über Ihre Arbeit aus?
Im Praxisaustausch mit anderen Elternbegleiter:innen, im Tandem oder im Netzwerk. Mit einem Kollegen aus Trier treffe ich mich gelegentlich online. Der Austausch stellte sich als wertvoll heraus und gab auch Anlass zu neuen Angebotsideen an den jeweiligen Standorten. Vielleicht sogar hin zu einem gemeinsamen, standortübergreifenden Angebot in Form eines Podcasts, indem zwei Elternbegleiter:innen über Elternbegleitung sprechen. Es wäre doch eine schöne Möglichkeit in feste Kategorien über Stolpersteine und Möglichkeiten der Elternbegleitung zu sprechen. Es gibt viel Austausch über Elternarbeit aber noch fehlt ein auditives Medium und ein auditiver Treffpunkt.
Das Format Podcast wäre ein frischer fachlicher Austausch.
Zur Elternbegleitung selbst – ich spreche für mehrere Elternbegleiter:innen: Das ECN Projekt gibt uns die Möglichkeit, unfassbar schnelle Erfolge zu erzielen. Individuelle und passgenaue Angebote zu kreieren zu können ist nicht selbstverständlich und es eröffnet so große Chancen. Das ist etwas ganz Besonderes für mich. Ich und meine Kolleg:innen verspüren Dankbarkeit den Beruf als Elternbegleiter:in ausüben zu können. Die Balance motiviert und stärkt mich.
Haben Sie einen Wunsch für die Regionalkonferenzen im November 2024?
Ich wünsche mir Austausch.
Die Tandemtreffen sind immer toll und zugewandt. Der Praxisaustausch Elternbegleitung ist immer spannend. Ich freue mich, auf Begegnung und Austausch in Präsenz.
Zum Steckbrief des Netzwerkes Plan A – Mit Elternbegleitung Familien in Pirmasens stärken